Wie es dazu kam

September 2020

Im Alter von 54 Jahren habe ich angefangen Klavierstunden zu nehmen. Ich träumte schon als Kind davon das Klavierspielen zu erlernen.
Ich hielt es für eine Spitzenidee damit an einer Jazzschule anzufangen. Sehr schnell hat sich herausgestellt, das ich als Anfänger mit Akkorden, Harmonien, Skalen und Improvisation überfordert bin. Zur Unterstützung wurde ein klassischer Klavierpädagoge engagiert der mich in den Grundlagen unterrichtet. Es macht mit beiden Dozenten und unterschiedlichen Lehransätzen großen Spaß und ich lerne unendlich viel dabei. Den Prozess des Erlernens dokumentiere ich auf meinem Klavierblog für Beginner. Falls jemand Interesse hat mich dabei zu begleiten, kann er hier ja mal hineinlesen:  www.klavierblog-beginner.de

 

Das ist meine musikalische Ausgangslage. Zusätzlich singe ich noch in ein bis drei Chören. Wenn nicht gerade wegen Corona alle Aktivitäten heruntergefahren sind.

 

Wäre musikalisch damit eigentlich gut ausgelastet. Warum noch die Flöte? Weshalb entwickele ich ein Interesse an diesem Instrument? Nehme Unterricht. Und werde einen Blog über meine Erfahrungen beim Erlernen führen.

 

Den Klang einer Flöte habe ich schon immer wunderschön gefunden.

Unsere Tochter hatte sich in dieses Instrument verliebt. Sie hörte jemanden bei offenen Fenster Flöte üben und fragte ob da zufälligerweise ein Engel spielen würden. Die Töne wären so himmlisch schön. Sie mußte mit dem Beginn des Unterrichts noch etwas warten, denn sie war zu klein dafür. Sie vergaß ihren Wunsch aber nicht.

Für ihre Flöte brauchten wir zusätzlich ein gebogenes Mundstück, damit sie sie besser halten kann. Ich habe es gern gehabt, wenn sie geübt hat. Wenn aus den einzelnen Tönen Melodien wurden, und sich der Klang verändert hat. Reiner und voller wurde, je länger sie gespielt hat.

Nach ein paar Jahren hatte sie keine Lust mehr. Die Lehrerin bemerkte das auch und empfahl uns, sie nicht zum Weiterlernen zu zwingen. Sie sagte, am Ende gewinnt immer das Kind. So aber kann sie sich freundschaftlich von ihrem Instrument verabschieden und behält sie in guter Erinnerung. Vielleicht mag sie später in ihrem Leben die Flöte wieder neu entdecken und weiterspielen.

So lag die Flöte viele Jahre im Dämmerschlaf unten im Keller.

 

In dem Corona Sommer 2020 kam sie mir unter die Finger und ich brachte sie ans Tageslicht. Bin sehr fasziniert von der filigranen Mechanik, ihrer Eleganz, vom Glanz. Aber ach. Es ist nicht so leicht ihr Töne zu entlocken. In welche Richtung muß man sie halten? Wo sollen die Finger hin? Ich kann in der Anordnung ihrer Klappen keinerlei System erkennen.

 

Ich brauche jemanden der mich mit dem Instrument vertraut macht. Ich fand eine Flötenlehrerin. Sie sagte ich soll mich darauf einstellen, das es eine ganze Weile dauert bis man Töne aus der Flöte heraus bekommt. Das kann anfangs etwas frustrierend sein.

 

Sie läßt mich in das Kopfstück hineinblasen. Oh! Da kommen auch ohne dem Rest der Flöte Töne heraus. Ich soll die Mundplatte etwas nach vorne drehen, wieder nach hinten. Verändert sich dabei etwas?

Ich blase meine Hand an, lenke den Luftstrahl den Arm hinunter. Wieder nach oben. Dabei verändert sich die Lippenstellung. Der Lippenspalt sollte nicht größer sein als die Öffnung des Mundlochs der Flöte. Die Vorstellung, ich spucke einen Kirschkern aus, hilft.

Die Lippen nicht zum Lächeln, besser die Mundwinkel nach unten, verziehen.

 

Der Ton muß deutlich beginnen. Mit Zungenspitze an die vorderen oberen Zähnen anstoßen, es soll sich wie ein „döh“ anhören. Er kommt bei mir oft etwas rauchig daher. Manchmal entwickelt er sich in eine obere Oktave und rutsch unvermittelt wieder nach unten. Ich habe keine Ahnung wie das passiert. Es geschieht einfach.

 

Meine Lehrerin läßt mich das Instrument zusammenbauen. Wichtig ist die richtige Stellung des Kopfstücks zum Mittelteil. Es gibt an beiden Markierungen die in einer Linie ausgerichtet sein sollten. Die Achse des Fußstück sollte mit den großen Tonlöchern und dem Mundloch eine Linie bilden.

Der linke Daumen liegt unter der einfachen Daumenklappe, der kleine rechte Finger auf der Dis-Klappe. Linker Zeigefinger und rechter Daumen stützen die Flöte von unten. Die restlichen Finger leicht gerundet. So könne sie schneller die Klappenmitte berühren.

 

Sie zeigt mir wie ich ein „G“ spielen kann. Ich spiele es. Sie zeigt mir ein „A“ und ein „H“. Die beiden Noten gehen auch ganz einfach. Die Lehrerin ist überrascht, daß das schnell bei mir geht. Bei vielen Schülern dauert es mehrere Wochen bis die Töne so beherzt herauskommen. Ich bin selbst erstaunt, das es mir leicht fällt.

 

BankMit drei Tönen kann man schon etwas anfangen. Ich bin nach der ersten Unterrichtsstunde sehr aufgekratzt und kann unmöglich nach Hause gehen. Ich fahre an den Ortsrand und marschiere über die Felder bis zu einer Parkbank, dort nehmen Flöte und ich Platz.

Es ist nicht unbedingt strahlender Sonnenschein, deshalb sind nicht viele Spaziergänger unterwegs. Ich bin etwas unschlüssig ob ich die Flöte auspacken soll. Um meine drei neu gelernten Töne open-air zu üben. Was werden die Leute sagen? Werde ich ausgelacht? Beschweren sie sich, weil es noch Lärm ist?

 

Ich beschließe mutig zu sein. Es kann ja nichts passieren. Wenn sich jemand gestört fühlen sollte, werde ich solange Pause machen, bis die Person weitergegangen ist.

Die Töne klingen nicht so gut, ohne die Korrektur meiner Lehrerin. Aber ein bißchen geht es. Ich freue mich, muß aber immer wieder Pause machen. Der Atem fließt unterschiedlich lang.

Manchmal lande ich auf den falschen Klappen. Ich höre wenn es nicht die richtige ist und muß zur Orientierung immer wieder einen Blick auf die Finger werfen.

Aber ich bin ja wirklich ein Neuling auf der Flöte, ein flute-rookie erster Güte. Die Flöte hat auf mich reagiert. Das hat sich gut angefühlt.
Nach einer dreiviertel Stunde kann ich nicht mehr. Die Lippen verkrampfen sich und es kommt nur noch ein Rauschen heraus.


Snail

Schluß für heute. Es hat mich niemand von den Spaziergängern angesprochen oder schräg angesehen. Gut so. Mit dieser Erfahrung werde ich das Üben in der frischen Luft noch mal versuchen. Mein erster geduldiger Zuhörer war eine kleine Schnecke, die des  Weges gekrochen kam.

Während der nächsten Tage ist das Wetter wechselhaft. Manchmal habe ich Abenddienst. Da ist nachmittags zu wenig Zeit um zum Üben in einen Park, auf die Felder oder in den Wald zu gehen. Ich übe in meiner Wohnung und fühle mich gehemmt. Ich befürchte das meine Nachbarn sich durch das Üben gestört fühlen.

Da bin ich in der Natur etwas unbeschwerter und nutze deshalb jede halbwegs gute Wettersituation aus. Und gewöhne mich immer mehr an das draußen üben. Neulich hat sich eine Libelle für mich interessiert. Hat sie die Klänge gehört? Gespürt? Sie drehte lange ihre Kreise um mich und hat in der Nachmittagssonne so wunderbar schön in allen Farben geschillert.

 

Ich habe mit meiner Lehrerin vereinbart alle 2 bis 3 Wochen eine Unterrichtsstunde zu nehmen. Ich gestatte mir 2 x pro Woche Klavierunterricht und eine weitere regelmäßige Unterrichtsstunde würde meinen finanziellen Rahmen für ungewöhnliche und ungeplante Ausgaben sprengen.